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Wofür die Worte fehlen


Titel
Wofür die Worte fehlen
Personen
Hauptautorität
Philipps, Carolin
Verfasser/-in
Ressource
Buch
Umfang
126
Veröffentlichungsangabe
Erscheinungsdatum
2010
Erscheinungsort
Wien
Verlagsname
Ueberreuter
-
Quelle: 1000 und 1 Buch (http://www.1001buch.at/); Autor: Heidi Lexe; Annotation: Beeindruckender Jugendroman zum Thema Missbrauch Rezension: Fachleute weisen immer wieder darauf hin, wie sehr im Sprechen über sexuelle Gewalt allein schon durch die Wortwahl Dinge signalisiert werden, die problematisch sind - so legt der gängige Begriff "sexueller Missbrauch" ja eigentlich nahe, es könnte auch einen legitimen "sexuellen Gebrauch" geben. Vor dieser Frage steht natürlich auch Literatur, die versucht, sich erzählerisch diesem schwierigen Thema zu nähern. Auch der von Carolin Philipps für ihren Jugendroman gewählte Titel verweist darauf: Eigentlich fehlen die Worte dafür, was Kindern und Jugendlichen hier angetan wird - und nahezu unmöglich ist es, darüber zu sprechen, wenn der eigene Vater der Täter ist. Der fünfzehnjährige Protagonist Kristian lebt seit Jahren mit den so genannten "Männerspielen" des Vaters - die nicht nur zu seelischem Leid, sondern auch zu körperlichen Symptomen führen. Sein schulisches Umfeld vermutet längst, was mit ihm los ist - doch Kristian hat keine Worte, um sich jemandem anzuvertrauen. Eindringlich schildert die Autorin, stets ganz der Wahrnehmung Kristians verpflichtet, wie ihn der Vater mit dem gemeinsamen "Geheimnis" erpresst, ihm die Schuld zuschiebt, ihm mit den möglichen Folgen droht, wenn alles herauskommt, wie die Mutter sich lieber aus der Familie zurückzieht, als sich mit der Wahrheit zu konfrontieren. Die einzige Möglichkeit, sich auszudrücken, findet Kristian in der Welt der Mangas, in die er in einem Kurs einmal in der Woche abtaucht. Er kreiert ein eindringliches Bild für das, was mit ihm geschieht: Eine Figur namens "der schwarze Ritter", vor dem es scheinbar kein Entrinnen gibt, kurze Textabschnitte dieser Binnengeschichte sind klug in den Roman integriert. Im Manga kann ausgesprochen werden, wofür es in der Realität keine Worte gibt - und auf dieser Ebene trägt eine gleichaltrige Freundin entscheidend dazu bei, dass Kristian sein Schweigen bricht und sich schließlich Hilfe holt. *ag* Kathrin Wexberg Rezension 2: Schmerz wird definiert als eine subjektive Sinneswahrnehmung. Eine Kommunikation über den Schmerz ist also gebunden an dessen Darstellung durch den Patienten/die Patientin. Ins Sprachphilosophische gewandt bedeutet diese Tatsache, dass sich ein Schmerzverständnis erst über die entsprechenden Schmerzäußerungen definiert: "Den Begriff "Schmerz" hast du mit der Sprache gelernt." stellt Ludwig Wittgenstein in seinen "Philosophischen Untersuchungen" fest. Dem entsprechenden "Sprachspiel" ordnet Wittgenstein auch nichtsprachliche Äußerungen zu (Wimmern oder Sich-Krümmen). Der Schmerz manifestiert sich in Kristians Leben nach außen hin als Magenschmerzen. Sie scheinen Kristians Alltag zu reglementieren und an bestimmte Orte, Situationen, insbesondere aber an bestimmte Worte gebunden: "In Mathe regieren die Zahlen, klar und durchschaubar. Es besteht keine Gefahr durch Worte, die bei ihm Magenschmerzen auslösen." (S. 10) Anders in einer der Schulstunden davor, als Worte "durch seinen Körper [wandern], eine brennende Spur hinterlassend, so als hätte er eine Chilischote gegessen." (S. 6) Das auslösende Moment für Kristians Schmerzen war ein im Geschichtsunterricht gezeigter, kriegerisch konnotierter Filmausschnitt und der darin vorkommende Satz: Es geht um die Ehre. Es liegt wohl weniger an der Bedeutung dieses so angestaubt erscheinenden Wortes, als an dessen Bedeutungs-Negation, die Kristian dazu bringt, sich wenig später am Schulklo die Seele aus dem Leib zu kotzen: die Schande. Denn Scham und Schande empfindet Kristian für das, was nachts zwischen ihm und seinem Vater passiert. Klarsichtig und unaufgeregt wird aus personaler Sicht der Schmerz eines 15-jährigen Missbrauchsopfers geschildert - wobei der Ton des Erzählens bestimmt wird von Kristians Unsicherheit. Wie schon Beate Teresa Hanika in ihrem 2010 mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Roman "Rotkäppchen muss weinen" stellt auch Carolin Philipps das Missbrauchsgeschehen mitten hinein in ein familiäres Beziehungsgeflecht. Die Radikalität des Übergriffs zeigt sich dabei insbesondere daran, dass aus einer Vertrauenssituation heraus Gewalt ausgeübt wird: Aus dem Dilemma, dem Vater genügen und sich ihm gleichzeitig entziehen zu wollen, gibt es für Kristian kein Entrinnen. Es verschlägt ihm wortwörtlich die Sprache. Doch er findet eine Möglichkeit, sein Erleben auf eine fiktionale Ebene zu transferieren. Als Teilnehmer einer Manga-Klasse macht er einen Schwarzen Ritter zur Zentralfigur der bewusst phantastisch gehaltenen Figurenkonstellation seiner Bildgeschichte. Längst ist dieser Schwarze Ritter keine heldenhafte Erlöserfigur mehr wie einst Ivanhoe in Richard Thorpes Verfilmung von Sir Walter Scotts Roman, sondern ein grausamer Eindringling in die nächtliche Finsternis des jungen Masaru. Das angsterregende Schwarz der Nacht ("Kein Lichtstrahl, kein noch so leiser Ton können den Raum verlassen." S. 92) wird gesteigert in der Erscheinung des in eine schwarzlederne Rüstung gekleideten Ritters, dessen glühende Augen und heißer Atem Masaru Schmerzen bereiten noch lange bevor er die schwarze Schnalle seines Umhangs öffnet und den Penis entblößt "der wie ein glühender Stab die schwarze Nacht durchdringt" (S. 93) und sich in Masarus Körper bohrt. Mit keinem Wort (mit keiner Geste oder Handlung) vermag Masaru sich selbst zu schützen; doch er vermag Hilfe anzunehmen: eine Manga-Freundin Kristians schleust ihre Magical Girls in die Geschichte ein, die jene Glut-Asche, aus der der Schwarze Ritter immer neu entsteht, mit einem Zauberstab aufsaugen. Aus der magischen Kraft dieser weiblichen Manga-Figuren schöpft auch Kristian selbst den Mut, sich seine Situation einzugestehen. "Erst wenn das Schweigen bricht, hören die Bauchschmerzen auf!" (S. 124) hat die Beratungslehrerin ihm als Hinweis mit auf den Weg gegeben: Für sich selbst zur Sprache zu finden, mag Kristian nicht möglich sein, doch als er beobachtet, dass sein Vater sich auch dem sechs Monate alten Sohn von Kristians Schwester zu nähern beginnt, entschließt er sich dazu, sein künstlerisches "Sprachspiel" zu nutzen: "Reden kann er immer noch nicht, aber wenn sie [die Beratungslehrerin] seine gezeichnete Geschichte liest, dann wird sie verstehen, was er nicht sagen kann." Carolin Philipps gelingt es, Kristians Schmerz auf unterschiedlichen Erzählebenen zu thematisieren und dabei psychologisch aufmerksam auf ein Szenario des Schweigens und Verschweigens zu blicken. Bereits in die Empfehlungsliste des Katholischen Kinderbuchpreises aufgenommen erhält der Roman nun auch den Österreichischen Kinder- und Jugendliteraturpreis in der Sparte Jugendbuch. ---- Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html); Autor: Martina Stiegler; Der Bauch sagt: Nein! Ich will das nicht! Mein Körper gehört mir. Empfehlenswerter Jugendroman über sexuellen Missbrauch. (ab 14) (JE) Kristian ist 14, seit fünf Jahren muss er ein schreckliches Geheimnis bewahren. Damals, als ihn seine Mutter das erste Mal allein gelassen hat, haben seine Bauchschmerzen angefangen, ist sein Leben in zwei Teile zerbrochen. - Kristian wird von seinem Vater in regelmäßigen Abständen missbraucht. Jedes Mal, wenn seine Mutter für mehrere Tage fort ist, macht der Vater seltsame Sachen mit ihm. "Männergeheimnis" nennt es sein Vater, überschüttet ihn mit teuren Geschenken und lässt ihm alles durchgehen, redet ihm ein, er hätte selbst damit angefangen, als er sich als kleines Kind auf der Suche nach Nähe zu seinem Papa kuscheln wollte. Er lädt ihm die ganze Schuld auf, malt ihm den Hass seiner Mutter aus und versichert ihm, sie würde die Familie verlassen. Auch die Mutter entzieht sich ihrer Pflicht, als sie endlich von den Lehrern Kristians auf das Problem gestoßen wird. Kristian weiß nicht, dass er keine Schuld hat. Er ist ein Kind, ein 14-jähriger Junge, der noch bettnässt, ein Kind, das Alkohol trinkt, um zu verdrängen und alles besser zu ertragen. Lange sucht er die Schuld bei sich. Doch schließlich bricht Kristian das Schweigen, "damit es ein Ende hat, auch wenn er damit seine Familie endgültig zerstört". Den Jungen aus der Geschichte gibt es wirklich. Sein Vater ist inzwischen bestraft worden. Ob, was zerstört wurde, je wieder heilen kann, weiß man nicht. Trotzdem ist es wichtig, darüber zu reden. Dieses Buch ist nicht wie andere Erlebnisberichte, die zu lesen äußerst schwerfällt, es stürzt nicht vordergründig in Entsetzen, sondern macht eindrucksvoll und laut deutlich: "Schuld hat immer der Täter, nie das Opfer!". Carolin Philipps unterstreicht auch die Rolle von Erziehern und anderen Erwachsenen und zeigt, wie wichtig es ist, über die Dinge zu reden, auch über Dinge, wofür eigentlich die Worte fehlen, weil sie zu furchtbar sind. Allen Bibliotheken zu empfehlen. ---- Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen (http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/320.asp); Autor: Ruth Schmidhammer; Kristian kann dem Unterricht nicht ohne Unterbrechungen folgen. Schon nach der Lektüre der ersten Seiten wird klar, dass der Junge ein Riesenproblem haben muss, seine Lehrer ihn aber einfach als Störenfried abgestempelt haben. Einzig Sakura, die mit ihm den Kurs für Mangazeichnen besucht, sieht auch andere Seiten des Jungen. Sie deutet auch die Rollen der Figuren in Kristians Manga richtig. Bald wird klar, woher der Druck auf Kristians Psyche kommt. Der Vater nützt die häufige Abwesenheit der Mutter, um den Jungen sexuell zu missbrauchen. Erst als Kristian bemerkt, dass der Vater auch vor dem kleinen Tobias nicht halt macht, vertraut er sich einer Therapeutin an. Ein schmales Buch zu einem erschütternden Thema, geschrieben im Stil der problemorientierten Jugendliteratur der frühen 1980-er Jahre, das sehr einfach zu lesen ist und sich an Jugendliche ab 12/13 Jahren wendet. ---- Quelle: STUBE (http://www.stube.at/); Wird Jugendlichen sexuelle Gewalt angetan, geschieht das nicht selten im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses. In diesem beklemmenden, weil so authentischen Roman ist es der Vater, der den knapp fünfzehnjährigen Kristian seit Jahren missbraucht. Eindringlich, aber nie zu explizit schildert die Autorin - stets der Wahrnehmung Kristians verpflichtet - wie ihn der Vater mit dem ge- meinsamen "Geheimnis" erpresst. Kristian hat keine Worte, um sich jemandem anzuvertrauen. Doch beim Zeichnen von Mangas findet er ein Bild für das, was mit ihm geschieht: Der schwarze Ritter, vor dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Im Manga kann ausgesprochen werden, was in der Realität sprachlos macht. Auf dieser Ebene trägt eine Freundin schließlich entscheidend dazu bei, dass Kristian sein Schweigen bricht und sich Hilfe holt. *STUBE*
Manifestation
Titel
Haupttitel
Wofür die Worte fehlen
Ressource
Buch
Veröffentlichungsangabe
Erscheinungsdatum
2010
Erscheinungsort
Wien
Verlagsname
Ueberreuter
ISBN13
978-3-8000-5533-3
ISBN10
3-8000-5533-3
Körperschaften
Verlag
Datenträgertyp
Band
Veröffentlichungsangabe
Erscheinungsdatum
2010
Erscheinungsort
Wien
Verlagsname
Ueberreuter
Listenpreis
0.00 €
Verantwortlichkeitsangabe
Verantwortlichkeitsangabe, die sich auf den Haupttitel bezieht
Carolin Philipps
Umfang
126
Kommentare
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Katalogisat abgeglichen mit: Rezensionen online open (inkl. Stadtbib. Salzburg)
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Quelle: 1000 und 1 Buch (http://www.1001buch.at/); Autor: Heidi Lexe; Annotation: Beeindruckender Jugendroman zum Thema Missbrauch Rezension: Fachleute weisen immer wieder darauf hin, wie sehr im Sprechen über sexuelle Gewalt allein schon durch die Wortwahl Dinge signalisiert werden, die problematisch sind - so legt der gängige Begriff "sexueller Missbrauch" ja eigentlich nahe, es könnte auch einen legitimen "sexuellen Gebrauch" geben. Vor dieser Frage steht natürlich auch Literatur, die versucht, sich erzählerisch diesem schwierigen Thema zu nähern. Auch der von Carolin Philipps für ihren Jugendroman gewählte Titel verweist darauf: Eigentlich fehlen die Worte dafür, was Kindern und Jugendlichen hier angetan wird - und nahezu unmöglich ist es, darüber zu sprechen, wenn der eigene Vater der Täter ist. Der fünfzehnjährige Protagonist Kristian lebt seit Jahren mit den so genannten "Männerspielen" des Vaters - die nicht nur zu seelischem Leid, sondern auch zu körperlichen Symptomen führen. Sein schulisches Umfeld vermutet längst, was mit ihm los ist - doch Kristian hat keine Worte, um sich jemandem anzuvertrauen. Eindringlich schildert die Autorin, stets ganz der Wahrnehmung Kristians verpflichtet, wie ihn der Vater mit dem gemeinsamen "Geheimnis" erpresst, ihm die Schuld zuschiebt, ihm mit den möglichen Folgen droht, wenn alles herauskommt, wie die Mutter sich lieber aus der Familie zurückzieht, als sich mit der Wahrheit zu konfrontieren. Die einzige Möglichkeit, sich auszudrücken, findet Kristian in der Welt der Mangas, in die er in einem Kurs einmal in der Woche abtaucht. Er kreiert ein eindringliches Bild für das, was mit ihm geschieht: Eine Figur namens "der schwarze Ritter", vor dem es scheinbar kein Entrinnen gibt, kurze Textabschnitte dieser Binnengeschichte sind klug in den Roman integriert. Im Manga kann ausgesprochen werden, wofür es in der Realität keine Worte gibt - und auf dieser Ebene trägt eine gleichaltrige Freundin entscheidend dazu bei, dass Kristian sein Schweigen bricht und sich schließlich Hilfe holt. *ag* Kathrin Wexberg Rezension 2: Schmerz wird definiert als eine subjektive Sinneswahrnehmung. Eine Kommunikation über den Schmerz ist also gebunden an dessen Darstellung durch den Patienten/die Patientin. Ins Sprachphilosophische gewandt bedeutet diese Tatsache, dass sich ein Schmerzverständnis erst über die entsprechenden Schmerzäußerungen definiert: "Den Begriff "Schmerz" hast du mit der Sprache gelernt." stellt Ludwig Wittgenstein in seinen "Philosophischen Untersuchungen" fest. Dem entsprechenden "Sprachspiel" ordnet Wittgenstein auch nichtsprachliche Äußerungen zu (Wimmern oder Sich-Krümmen). Der Schmerz manifestiert sich in Kristians Leben nach außen hin als Magenschmerzen. Sie scheinen Kristians Alltag zu reglementieren und an bestimmte Orte, Situationen, insbesondere aber an bestimmte Worte gebunden: "In Mathe regieren die Zahlen, klar und durchschaubar. Es besteht keine Gefahr durch Worte, die bei ihm Magenschmerzen auslösen." (S. 10) Anders in einer der Schulstunden davor, als Worte "durch seinen Körper [wandern], eine brennende Spur hinterlassend, so als hätte er eine Chilischote gegessen." (S. 6) Das auslösende Moment für Kristians Schmerzen war ein im Geschichtsunterricht gezeigter, kriegerisch konnotierter Filmausschnitt und der darin vorkommende Satz: Es geht um die Ehre. Es liegt wohl weniger an der Bedeutung dieses so angestaubt erscheinenden Wortes, als an dessen Bedeutungs-Negation, die Kristian dazu bringt, sich wenig später am Schulklo die Seele aus dem Leib zu kotzen: die Schande. Denn Scham und Schande empfindet Kristian für das, was nachts zwischen ihm und seinem Vater passiert. Klarsichtig und unaufgeregt wird aus personaler Sicht der Schmerz eines 15-jährigen Missbrauchsopfers geschildert - wobei der Ton des Erzählens bestimmt wird von Kristians Unsicherheit. Wie schon Beate Teresa Hanika in ihrem 2010 mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Roman "Rotkäppchen muss weinen" stellt auch Carolin Philipps das Missbrauchsgeschehen mitten hinein in ein familiäres Beziehungsgeflecht. Die Radikalität des Übergriffs zeigt sich dabei insbesondere daran, dass aus einer Vertrauenssituation heraus Gewalt ausgeübt wird: Aus dem Dilemma, dem Vater genügen und sich ihm gleichzeitig entziehen zu wollen, gibt es für Kristian kein Entrinnen. Es verschlägt ihm wortwörtlich die Sprache. Doch er findet eine Möglichkeit, sein Erleben auf eine fiktionale Ebene zu transferieren. Als Teilnehmer einer Manga-Klasse macht er einen Schwarzen Ritter zur Zentralfigur der bewusst phantastisch gehaltenen Figurenkonstellation seiner Bildgeschichte. Längst ist dieser Schwarze Ritter keine heldenhafte Erlöserfigur mehr wie einst Ivanhoe in Richard Thorpes Verfilmung von Sir Walter Scotts Roman, sondern ein grausamer Eindringling in die nächtliche Finsternis des jungen Masaru. Das angsterregende Schwarz der Nacht ("Kein Lichtstrahl, kein noch so leiser Ton können den Raum verlassen." S. 92) wird gesteigert in der Erscheinung des in eine schwarzlederne Rüstung gekleideten Ritters, dessen glühende Augen und heißer Atem Masaru Schmerzen bereiten noch lange bevor er die schwarze Schnalle seines Umhangs öffnet und den Penis entblößt "der wie ein glühender Stab die schwarze Nacht durchdringt" (S. 93) und sich in Masarus Körper bohrt. Mit keinem Wort (mit keiner Geste oder Handlung) vermag Masaru sich selbst zu schützen; doch er vermag Hilfe anzunehmen: eine Manga-Freundin Kristians schleust ihre Magical Girls in die Geschichte ein, die jene Glut-Asche, aus der der Schwarze Ritter immer neu entsteht, mit einem Zauberstab aufsaugen. Aus der magischen Kraft dieser weiblichen Manga-Figuren schöpft auch Kristian selbst den Mut, sich seine Situation einzugestehen. "Erst wenn das Schweigen bricht, hören die Bauchschmerzen auf!" (S. 124) hat die Beratungslehrerin ihm als Hinweis mit auf den Weg gegeben: Für sich selbst zur Sprache zu finden, mag Kristian nicht möglich sein, doch als er beobachtet, dass sein Vater sich auch dem sechs Monate alten Sohn von Kristians Schwester zu nähern beginnt, entschließt er sich dazu, sein künstlerisches "Sprachspiel" zu nutzen: "Reden kann er immer noch nicht, aber wenn sie [die Beratungslehrerin] seine gezeichnete Geschichte liest, dann wird sie verstehen, was er nicht sagen kann." Carolin Philipps gelingt es, Kristians Schmerz auf unterschiedlichen Erzählebenen zu thematisieren und dabei psychologisch aufmerksam auf ein Szenario des Schweigens und Verschweigens zu blicken. Bereits in die Empfehlungsliste des Katholischen Kinderbuchpreises aufgenommen erhält der Roman nun auch den Österreichischen Kinder- und Jugendliteraturpreis in der Sparte Jugendbuch. ---- Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html); Autor: Martina Stiegler; Der Bauch sagt: Nein! Ich will das nicht! Mein Körper gehört mir. Empfehlenswerter Jugendroman über sexuellen Missbrauch. (ab 14) (JE) Kristian ist 14, seit fünf Jahren muss er ein schreckliches Geheimnis bewahren. Damals, als ihn seine Mutter das erste Mal allein gelassen hat, haben seine Bauchschmerzen angefangen, ist sein Leben in zwei Teile zerbrochen. - Kristian wird von seinem Vater in regelmäßigen Abständen missbraucht. Jedes Mal, wenn seine Mutter für mehrere Tage fort ist, macht der Vater seltsame Sachen mit ihm. "Männergeheimnis" nennt es sein Vater, überschüttet ihn mit teuren Geschenken und lässt ihm alles durchgehen, redet ihm ein, er hätte selbst damit angefangen, als er sich als kleines Kind auf der Suche nach Nähe zu seinem Papa kuscheln wollte. Er lädt ihm die ganze Schuld auf, malt ihm den Hass seiner Mutter aus und versichert ihm, sie würde die Familie verlassen. Auch die Mutter entzieht sich ihrer Pflicht, als sie endlich von den Lehrern Kristians auf das Problem gestoßen wird. Kristian weiß nicht, dass er keine Schuld hat. Er ist ein Kind, ein 14-jähriger Junge, der noch bettnässt, ein Kind, das Alkohol trinkt, um zu verdrängen und alles besser zu ertragen. Lange sucht er die Schuld bei sich. Doch schließlich bricht Kristian das Schweigen, "damit es ein Ende hat, auch wenn er damit seine Familie endgültig zerstört". Den Jungen aus der Geschichte gibt es wirklich. Sein Vater ist inzwischen bestraft worden. Ob, was zerstört wurde, je wieder heilen kann, weiß man nicht. Trotzdem ist es wichtig, darüber zu reden. Dieses Buch ist nicht wie andere Erlebnisberichte, die zu lesen äußerst schwerfällt, es stürzt nicht vordergründig in Entsetzen, sondern macht eindrucksvoll und laut deutlich: "Schuld hat immer der Täter, nie das Opfer!". Carolin Philipps unterstreicht auch die Rolle von Erziehern und anderen Erwachsenen und zeigt, wie wichtig es ist, über die Dinge zu reden, auch über Dinge, wofür eigentlich die Worte fehlen, weil sie zu furchtbar sind. Allen Bibliotheken zu empfehlen. ---- Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen (http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/320.asp); Autor: Ruth Schmidhammer; Kristian kann dem Unterricht nicht ohne Unterbrechungen folgen. Schon nach der Lektüre der ersten Seiten wird klar, dass der Junge ein Riesenproblem haben muss, seine Lehrer ihn aber einfach als Störenfried abgestempelt haben. Einzig Sakura, die mit ihm den Kurs für Mangazeichnen besucht, sieht auch andere Seiten des Jungen. Sie deutet auch die Rollen der Figuren in Kristians Manga richtig. Bald wird klar, woher der Druck auf Kristians Psyche kommt. Der Vater nützt die häufige Abwesenheit der Mutter, um den Jungen sexuell zu missbrauchen. Erst als Kristian bemerkt, dass der Vater auch vor dem kleinen Tobias nicht halt macht, vertraut er sich einer Therapeutin an. Ein schmales Buch zu einem erschütternden Thema, geschrieben im Stil der problemorientierten Jugendliteratur der frühen 1980-er Jahre, das sehr einfach zu lesen ist und sich an Jugendliche ab 12/13 Jahren wendet. ---- Quelle: STUBE (http://www.stube.at/); Wird Jugendlichen sexuelle Gewalt angetan, geschieht das nicht selten im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses. In diesem beklemmenden, weil so authentischen Roman ist es der Vater, der den knapp fünfzehnjährigen Kristian seit Jahren missbraucht. Eindringlich, aber nie zu explizit schildert die Autorin - stets der Wahrnehmung Kristians verpflichtet - wie ihn der Vater mit dem ge- meinsamen "Geheimnis" erpresst. Kristian hat keine Worte, um sich jemandem anzuvertrauen. Doch beim Zeichnen von Mangas findet er ein Bild für das, was mit ihm geschieht: Der schwarze Ritter, vor dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Im Manga kann ausgesprochen werden, was in der Realität sprachlos macht. Auf dieser Ebene trägt eine Freundin schließlich entscheidend dazu bei, dass Kristian sein Schweigen bricht und sich Hilfe holt. *STUBE*
Sprache der Expression
Deutsch
Titel
Bevorzugter Titel des Werks
Wofür die Worte fehlen
Personen
Verfasser/-in
Bibliothek Satteins
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Verfügbarkeit
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Phil
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