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Cox oder der Lauf der Zeit


Titel
Cox oder der Lauf der Zeit - Roman
Personen
Hauptautorität
Ransmayr, Christoph
Verfasser/-in
Ressource
Buch
Umfang
302 S.
Veröffentlichungsangabe
Erscheinungsdatum
2016
-
Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html); Autor: Renate Langer; Hochkultur und Grausamkeit im China des 18. Jahrhunderts. (DR) Christoph Ransmayr hat seine Leser bereits in die Arktis und die antike Stadt Tomi am Schwarzen Meer, nach Brasilien und Tibet entführt. Es sind aber immer Europäer, die in diese fernen Weltgegenden aufbrechen und sie mit europäischen Augen betrachten. Diesmal werden vier englische Uhrmacher vom chinesischen Kaiser eingeladen, um ganz besondere Zeitmesser für ihn zu bauen. Als Gäste des mächtigsten Despoten der Erde, der sich Herr der zehntausend Jahre nennt, genießen die Briten unerhörte Privilegien und sind doch zugleich Gefangene, die auf Schritt und Tritt von Wächtern bespitzelt werden. Wie gefährdet sie sind, wird ihnen klar, als sie von den raffinierten Folter- und Hinrichtungsmethoden erfahren, die jedem drohen, der in Ungnade fällt. Der Kaiser ist freilich kein brutaler Barbar, sondern ein höchst kultivierter und feinsinniger Mann, der Naturgedichte in Schönschrift zu Papier bringt oder auch nur mit rasch verdunstendem Flusswasser auf Ufersteine schreibt. Dieses Verschwinden der Schrift kennt man aus dem "Fliegenden Berg", wie denn überhaupt viele Motive hier auftauchen, die Ransmayr-Lesern bereits aus früheren Texten vertraut sind. Der Roman spinnt eine fiktive Handlung um historische Realitäten. Der Kaiser Qianlong (1711-1799) hat ebenso existiert wie der Londoner Uhrmacher Cox, dessen mechanische Wunderwerke auch nach China exportiert wurden und heute von Touristen in Peking bestaunt werden können. "Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein", schrieb Walter Benjamin 1940. Bei Ransmayr heißt es: "Im Schatten jedes Weltwunders lag ein Massengrab." Dieser harte und unbeschönigte Kontrast bewahrt den Roman vor parfümiertem Exotismus. Den melancholischen Grundton aber bilden Gedanken an die Sterblichkeit des Menschen und die Vergänglichkeit all seiner Hervorbringungen. - Sehr empfehlenswert. ---- Quelle: Literatur und Kritik; Autor: Anton Thuswaldner; Meister der Veredelung Christoph Ransmayrs Roman "Cox oder Der Lauf der Zeit" Er hat eine Menge ausprobiert, nie gab er sich mit dem zufrieden, was er einmal erreicht hat. Christoph Ransmayr passt seinen Stoffen Formen an, jedes Buch ein neuer Versuch, eine Welt in Einklang mit ihrer Beschreibung zu bringen. Jedes Mal neu zwingt er eine Geschichte in eine strenge, gern rhythmisierte Sprache, er besteht auf einer betont exklusiven Wortwahl. So bezeugt er seinen Figuren und dem, was ihnen widerfährt, seinen Respekt. Jedes Buch ein Solitär. Stets handelt er individuelle Lebensgeschichten ab und die verdienen jeweils einen Individuellen Zugriff. Neben seinen Großprojekten in Romanformat hat er in dem Zyklus "Spielformen des Erzählens" im Theaterstück, Essay, in Bildgeschichte oder in der Rede durchprobiert, wie sich ein Stück Welt in Sprache und Form überführen lässt. Zur Wirklichkeit wird ihm Erlebtes, Gesehenes, aus den Archiven Geborgenes ebenso wie Erträumtes, Erdachtes oder durch die Reisen in die Fantasie Gewonnenes. Die Welt im Kopf zählt für ihn gleichviel wie die Welt außerhalb, in jedem Fall gibt Ransmayr Auskunft über das Menschsein und das Menschenmögliche. Die großen Rhapsoden vom Schlage eines Homer liegen Ransmayr mehr als die zeitgenössischen Literaten, die unbedingt unsere Gegenwart ins Buch holen müssen. Literatur, wie sie von diesem Autor kommt, weist über alle Zeit hinaus, weil ihm ohnehin alles, was einmal gewesen ist, nicht weniger bedeutsam erscheint als das, was uns im Hier und Jetzt bewegt. Deshalb dieses Drängende, das Zwingende, das man Ransmayrs Büchern ansieht. Ein Konflikt in ferner Vergangenheit ist ja nichts anderes als der Vorschein dessen, was uns immer noch blüht. Die Menschen waren ehemals so verworfen und großartig wie heute. Und eine fatale Mischung aus Vernunft und Irrsinn, von Kleinmut und Größenwahn arbeitet in ihnen seit jeher. So ist das nun einmal, unter welchen ideologischen, politischen und gesellschaftlichen Vorzeichen Biografien sich auch immer entwickeln mögen. Es gehört zur Ransmayr-Methode, im Alten, längst Vergangenen, in dem, was so lange vorbei ist, dass die historische Überlieferung durch die Legende ausgetauscht wurde, all das zu entdecken, was uns heute ausmacht. Die Story ist nur der Köder, um die Leser zu kriegen, eigentlich geht es um den inneren Menschen, der so schwer zu definieren ist, wes­halb nach jedem Buch ein neuer Klärungsversuch ins Haus steht. Im Lauf der Jahrzehnte ist ein stattliches Werk zusammen gekommen. So viel Ransmayr auch immer unternommen hat, um seine Literatur neu zu definieren, sein jüngs­ter Roman steht in seiner Haltung dem ersten Roman Die Schrecken des Eises und der Finsternis aus dem Jahr 1984 bemerkenswert nahe. Das ist das Erstaunliche, dass hinter all dem vordergründigen Identitäten-Wechselspiel die gleichen Ansichten und Vorstellungen spielen. Das Große, Erhabene, Mächtige, Schöne befindet sich auf Tuchfühlung zum Gewalttätigen, Brutalen, Rohen, Ungeschlachten und Ungeschliffenen. Das Nebeneinander des einander Ausschließenden zeichnet die Ransmayr-Welt aus, ob sie nun im Packeis der grandiosen Polarlandschaft zu finden ist oder im China des 18. Jahrhunderts. Das Bedrängende geht an die Substanz der Persönlichkeiten, die sich einem unauslotbaren Wagnis stellen, wie es keiner vor ihnen je unternommen hat. Existenzielle Grenzerfahrungen stehen an, und keiner weiß, ob jene, die Hals und Kragen riskieren je einer Rettung gewahr sein dürfen. Denn auf sie allein kommt es lange nicht mehr an. Jene, die das Risiko ausreizen im Bewusstsein, dass sie untergehen können, sind auf andere Mächte angewiesen als jene, die ihnen selbst zu Gebote stehen. Sie sind angewiesen auf die Gunst einer Kraft von außen, die sie bestehen lässt oder vernichtet. Das ist grausam, aber anders sind Grenzen, die angeblich ein für alle Mal gezogen sind, nun einmal nicht auszutesten. Die Sprache stellt von vornherein klar, dass wir es mit etwas Gigantischem zu tun bekommen. Sie bebt vor innerer Erregung, ist auf ein Tremolo gestimmt, das in jeder Zeile von dräuendem Unheil bebt. Ein unterschwelliges Dröhnen ist zu vernehmen, stets muss man gewahr sein, dass die Abenteurer im Reich des Unheimlichen dem Untergang entgegengehen. Ein Gefühl der bangen Erwartung wird langsam und bedächtig ausgebreitet, Ransmayr schwelgt in der Stimmung einer Tragödie, die drauf und dran ist, ihr Personal zu verschlingen. Im Roman Die Schrecken des Eises und der Finsternis waren es die Naturgewalten, die die Teilnehmer einer österreichischen Expedition fest im Klammergriff hielten. Im neuen Roman Cox oder Der Lauf der Zeit kommt der britische Uhrmacher Alister Cox mit einem kleinen Team von Supermechanikern im Reich des unberechenbaren Kaisers Qiánlóng an, der sich gottgleich als "der Allerhöchste" feiern lässt, sich in die Unangreifbarkeit der Unsichtbarkeit zurückzieht und macht, was er will. Ein Leben zählt nichts unter seiner strengen Regierung, er befiehlt, nein: wünscht, und der Wunsch ist Gesetz. Cox und die Seinen arbeiten in des Höchsten Auftrag an einem nie gesehenen Wunderwerk der Uhrmacherkunst, einem Gerät, das nach Art des Perpetuum mobile einmal in Gang gesetzt bis ans Ende aller Zeiten seiner Aufgabe, Präzisionsarbeit zu leisten, nachkommt. "Eine Uhr für die Ewigkeit. Die Uhr aller Uhren." Cox wird allmählich doch mulmig zumute, ob die Erfüllung des Auftrags nicht einem Frevel, der die Todesstrafe nach sich zieht, gleichkommt, zumal die Maschine die Lebenszeit des "Herrn der zehntausend Jahre" zweifellos übersteigen wird. Ransmayr bleibt der Herr der Gelassenheit. Er schraubt eine moralisch verrottete Welt in ästhetische Höhen, sorgt für kostbare Formulierungen und meisterhaft vollendete Sätze, als müsste er einen seligen Glückszustand erzeugen, in dem sich Leser in Pracht und Schönheit ergehen dürfen. Die Veredelungskonstruktion wird im Auftrag errichtet, jenen, die den Widrigkeiten trotzen, ein Hochamt zu bieten, damit sie als würdige Vertreter der Menschheit ein Vorbild an innerer Stärke und Willenskraft darstellen. Ransmayr stellt Monumente auf den imaginären Platz des genialen Funkens. Monumente sind eine Setzung, nehmen keine Entwicklung. Sie stellen den Endpunkt des den Menschen Erreichbaren dar, sind erratische Blöcke, zur Anbetung freigegeben und geeignet, dem Geniekult überantwortet zu werden. In Cox haben wir den Tüftler, dessen Geräte an Eleganz, Feinheit, technischem Kalkül, Schönheit und Genauigkeit nicht zu übertreffen sind, sie sind Meisterwerke eines Tüftlers als Tausendsassa. So einen wie Cox gibt es kein zweites Mal. Er versenkt sich in seine Arbeit, nachdem ihn ein tragisches Schicksal seines Glücks beraubt hat. Seine über alles geliebte Tochter starb im Kindesalter, seine nicht minder geliebte Frau verfällt in dauerhaftes Schweigen. Superman, eine Leidensikone. Cox reiht sich als vorläufig Letzter in die lange Reihe der Ransmayrschen Kunstfiguren-Preziosensammlung. Kunstfiguren, wie sie Ransmayr schafft, sind dazu da, der Übersteigerung der menschlichen Anlagen zu dienen. Wir können nicht so tun, als wüsste der Autor nicht, was er macht. Er stellt Idealtypen her, deren Entsprechung nur in unserer Welt, die wir bewohnen, nicht vorfinden werden. Auch Cox dürfen wir uns als einen gehobenen James Bond-Charakter vorstellen. Er ist nicht dazu da, die Welt zu retten, aber sie zu verfeinern passt ihnen ausgezeichnet in den Kram.
Manifestation
Titel
Haupttitel
Cox oder der Lauf der Zeit
Titelzusatz
Roman
Ressource
Buch
Veröffentlichungsangabe
Erscheinungsdatum
2016
ISBN13
978-3-10-082951-1
ISBN10
3-10-082951-4
Körperschaften
Verlag
Datenträgertyp
Band
Veröffentlichungsangabe
Erscheinungsdatum
2016
Listenpreis
0.00 €
Verantwortlichkeitsangabe
Verantwortlichkeitsangabe, die sich auf den Haupttitel bezieht
Christoph Ransmayr
Umfang
302 S.
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Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html); Autor: Renate Langer; Hochkultur und Grausamkeit im China des 18. Jahrhunderts. (DR) Christoph Ransmayr hat seine Leser bereits in die Arktis und die antike Stadt Tomi am Schwarzen Meer, nach Brasilien und Tibet entführt. Es sind aber immer Europäer, die in diese fernen Weltgegenden aufbrechen und sie mit europäischen Augen betrachten. Diesmal werden vier englische Uhrmacher vom chinesischen Kaiser eingeladen, um ganz besondere Zeitmesser für ihn zu bauen. Als Gäste des mächtigsten Despoten der Erde, der sich Herr der zehntausend Jahre nennt, genießen die Briten unerhörte Privilegien und sind doch zugleich Gefangene, die auf Schritt und Tritt von Wächtern bespitzelt werden. Wie gefährdet sie sind, wird ihnen klar, als sie von den raffinierten Folter- und Hinrichtungsmethoden erfahren, die jedem drohen, der in Ungnade fällt. Der Kaiser ist freilich kein brutaler Barbar, sondern ein höchst kultivierter und feinsinniger Mann, der Naturgedichte in Schönschrift zu Papier bringt oder auch nur mit rasch verdunstendem Flusswasser auf Ufersteine schreibt. Dieses Verschwinden der Schrift kennt man aus dem "Fliegenden Berg", wie denn überhaupt viele Motive hier auftauchen, die Ransmayr-Lesern bereits aus früheren Texten vertraut sind. Der Roman spinnt eine fiktive Handlung um historische Realitäten. Der Kaiser Qianlong (1711-1799) hat ebenso existiert wie der Londoner Uhrmacher Cox, dessen mechanische Wunderwerke auch nach China exportiert wurden und heute von Touristen in Peking bestaunt werden können. "Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein", schrieb Walter Benjamin 1940. Bei Ransmayr heißt es: "Im Schatten jedes Weltwunders lag ein Massengrab." Dieser harte und unbeschönigte Kontrast bewahrt den Roman vor parfümiertem Exotismus. Den melancholischen Grundton aber bilden Gedanken an die Sterblichkeit des Menschen und die Vergänglichkeit all seiner Hervorbringungen. - Sehr empfehlenswert. ---- Quelle: Literatur und Kritik; Autor: Anton Thuswaldner; Meister der Veredelung Christoph Ransmayrs Roman "Cox oder Der Lauf der Zeit" Er hat eine Menge ausprobiert, nie gab er sich mit dem zufrieden, was er einmal erreicht hat. Christoph Ransmayr passt seinen Stoffen Formen an, jedes Buch ein neuer Versuch, eine Welt in Einklang mit ihrer Beschreibung zu bringen. Jedes Mal neu zwingt er eine Geschichte in eine strenge, gern rhythmisierte Sprache, er besteht auf einer betont exklusiven Wortwahl. So bezeugt er seinen Figuren und dem, was ihnen widerfährt, seinen Respekt. Jedes Buch ein Solitär. Stets handelt er individuelle Lebensgeschichten ab und die verdienen jeweils einen Individuellen Zugriff. Neben seinen Großprojekten in Romanformat hat er in dem Zyklus "Spielformen des Erzählens" im Theaterstück, Essay, in Bildgeschichte oder in der Rede durchprobiert, wie sich ein Stück Welt in Sprache und Form überführen lässt. Zur Wirklichkeit wird ihm Erlebtes, Gesehenes, aus den Archiven Geborgenes ebenso wie Erträumtes, Erdachtes oder durch die Reisen in die Fantasie Gewonnenes. Die Welt im Kopf zählt für ihn gleichviel wie die Welt außerhalb, in jedem Fall gibt Ransmayr Auskunft über das Menschsein und das Menschenmögliche. Die großen Rhapsoden vom Schlage eines Homer liegen Ransmayr mehr als die zeitgenössischen Literaten, die unbedingt unsere Gegenwart ins Buch holen müssen. Literatur, wie sie von diesem Autor kommt, weist über alle Zeit hinaus, weil ihm ohnehin alles, was einmal gewesen ist, nicht weniger bedeutsam erscheint als das, was uns im Hier und Jetzt bewegt. Deshalb dieses Drängende, das Zwingende, das man Ransmayrs Büchern ansieht. Ein Konflikt in ferner Vergangenheit ist ja nichts anderes als der Vorschein dessen, was uns immer noch blüht. Die Menschen waren ehemals so verworfen und großartig wie heute. Und eine fatale Mischung aus Vernunft und Irrsinn, von Kleinmut und Größenwahn arbeitet in ihnen seit jeher. So ist das nun einmal, unter welchen ideologischen, politischen und gesellschaftlichen Vorzeichen Biografien sich auch immer entwickeln mögen. Es gehört zur Ransmayr-Methode, im Alten, längst Vergangenen, in dem, was so lange vorbei ist, dass die historische Überlieferung durch die Legende ausgetauscht wurde, all das zu entdecken, was uns heute ausmacht. Die Story ist nur der Köder, um die Leser zu kriegen, eigentlich geht es um den inneren Menschen, der so schwer zu definieren ist, wes­halb nach jedem Buch ein neuer Klärungsversuch ins Haus steht. Im Lauf der Jahrzehnte ist ein stattliches Werk zusammen gekommen. So viel Ransmayr auch immer unternommen hat, um seine Literatur neu zu definieren, sein jüngs­ter Roman steht in seiner Haltung dem ersten Roman Die Schrecken des Eises und der Finsternis aus dem Jahr 1984 bemerkenswert nahe. Das ist das Erstaunliche, dass hinter all dem vordergründigen Identitäten-Wechselspiel die gleichen Ansichten und Vorstellungen spielen. Das Große, Erhabene, Mächtige, Schöne befindet sich auf Tuchfühlung zum Gewalttätigen, Brutalen, Rohen, Ungeschlachten und Ungeschliffenen. Das Nebeneinander des einander Ausschließenden zeichnet die Ransmayr-Welt aus, ob sie nun im Packeis der grandiosen Polarlandschaft zu finden ist oder im China des 18. Jahrhunderts. Das Bedrängende geht an die Substanz der Persönlichkeiten, die sich einem unauslotbaren Wagnis stellen, wie es keiner vor ihnen je unternommen hat. Existenzielle Grenzerfahrungen stehen an, und keiner weiß, ob jene, die Hals und Kragen riskieren je einer Rettung gewahr sein dürfen. Denn auf sie allein kommt es lange nicht mehr an. Jene, die das Risiko ausreizen im Bewusstsein, dass sie untergehen können, sind auf andere Mächte angewiesen als jene, die ihnen selbst zu Gebote stehen. Sie sind angewiesen auf die Gunst einer Kraft von außen, die sie bestehen lässt oder vernichtet. Das ist grausam, aber anders sind Grenzen, die angeblich ein für alle Mal gezogen sind, nun einmal nicht auszutesten. Die Sprache stellt von vornherein klar, dass wir es mit etwas Gigantischem zu tun bekommen. Sie bebt vor innerer Erregung, ist auf ein Tremolo gestimmt, das in jeder Zeile von dräuendem Unheil bebt. Ein unterschwelliges Dröhnen ist zu vernehmen, stets muss man gewahr sein, dass die Abenteurer im Reich des Unheimlichen dem Untergang entgegengehen. Ein Gefühl der bangen Erwartung wird langsam und bedächtig ausgebreitet, Ransmayr schwelgt in der Stimmung einer Tragödie, die drauf und dran ist, ihr Personal zu verschlingen. Im Roman Die Schrecken des Eises und der Finsternis waren es die Naturgewalten, die die Teilnehmer einer österreichischen Expedition fest im Klammergriff hielten. Im neuen Roman Cox oder Der Lauf der Zeit kommt der britische Uhrmacher Alister Cox mit einem kleinen Team von Supermechanikern im Reich des unberechenbaren Kaisers Qiánlóng an, der sich gottgleich als "der Allerhöchste" feiern lässt, sich in die Unangreifbarkeit der Unsichtbarkeit zurückzieht und macht, was er will. Ein Leben zählt nichts unter seiner strengen Regierung, er befiehlt, nein: wünscht, und der Wunsch ist Gesetz. Cox und die Seinen arbeiten in des Höchsten Auftrag an einem nie gesehenen Wunderwerk der Uhrmacherkunst, einem Gerät, das nach Art des Perpetuum mobile einmal in Gang gesetzt bis ans Ende aller Zeiten seiner Aufgabe, Präzisionsarbeit zu leisten, nachkommt. "Eine Uhr für die Ewigkeit. Die Uhr aller Uhren." Cox wird allmählich doch mulmig zumute, ob die Erfüllung des Auftrags nicht einem Frevel, der die Todesstrafe nach sich zieht, gleichkommt, zumal die Maschine die Lebenszeit des "Herrn der zehntausend Jahre" zweifellos übersteigen wird. Ransmayr bleibt der Herr der Gelassenheit. Er schraubt eine moralisch verrottete Welt in ästhetische Höhen, sorgt für kostbare Formulierungen und meisterhaft vollendete Sätze, als müsste er einen seligen Glückszustand erzeugen, in dem sich Leser in Pracht und Schönheit ergehen dürfen. Die Veredelungskonstruktion wird im Auftrag errichtet, jenen, die den Widrigkeiten trotzen, ein Hochamt zu bieten, damit sie als würdige Vertreter der Menschheit ein Vorbild an innerer Stärke und Willenskraft darstellen. Ransmayr stellt Monumente auf den imaginären Platz des genialen Funkens. Monumente sind eine Setzung, nehmen keine Entwicklung. Sie stellen den Endpunkt des den Menschen Erreichbaren dar, sind erratische Blöcke, zur Anbetung freigegeben und geeignet, dem Geniekult überantwortet zu werden. In Cox haben wir den Tüftler, dessen Geräte an Eleganz, Feinheit, technischem Kalkül, Schönheit und Genauigkeit nicht zu übertreffen sind, sie sind Meisterwerke eines Tüftlers als Tausendsassa. So einen wie Cox gibt es kein zweites Mal. Er versenkt sich in seine Arbeit, nachdem ihn ein tragisches Schicksal seines Glücks beraubt hat. Seine über alles geliebte Tochter starb im Kindesalter, seine nicht minder geliebte Frau verfällt in dauerhaftes Schweigen. Superman, eine Leidensikone. Cox reiht sich als vorläufig Letzter in die lange Reihe der Ransmayrschen Kunstfiguren-Preziosensammlung. Kunstfiguren, wie sie Ransmayr schafft, sind dazu da, der Übersteigerung der menschlichen Anlagen zu dienen. Wir können nicht so tun, als wüsste der Autor nicht, was er macht. Er stellt Idealtypen her, deren Entsprechung nur in unserer Welt, die wir bewohnen, nicht vorfinden werden. Auch Cox dürfen wir uns als einen gehobenen James Bond-Charakter vorstellen. Er ist nicht dazu da, die Welt zu retten, aber sie zu verfeinern passt ihnen ausgezeichnet in den Kram.
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Bevorzugter Titel des Werks
Cox oder der Lauf der Zeit
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